Kennzeichnend für die Alpen-Adria-Region ist deren ethnolinguistische Vielfalt. Wie der Forschungsstand zeigt, ist diese jedoch auch durch ethnische Selbsteinschätzungen, die vom objektiven Merkmal Sprache abweichen (= diffuse Ethnizität), in ihrem Bestand gefährdet. Ziel vorliegenden Beitrages ist es, das damit zusammenhängende Gefährdungspotenzial für den Erhalt der Ethnodiversität im Kernraum der genannten Region zu analysieren. Bei den Vor Ort-Erhebungen wurde insbesondere auf die deutschen Sprachinseln in den friulanischen und slowenischen Alpen sowie auf die istrorumänische Sprachgruppe im Nordosten der Halbinsel Istrien eingegangen. Die Forschungsergebnisse zeigen, dass mit Ausnahme der deutsch- und mit Einschränkungen der slowenischsprachigen Kanaltaler Minderheit bei den Sprachgruppen Friauls diffuse Ethnizität überwiegt. Diese ist in den deutschen Sprachinseln, d.h. in Pladen/Sappada, Tischelwang/Timau und Zahre/Sauris, ähnlich stark ausgeprägt wie im slowenisch sprachigen Resiatal/Rezija in derselben Region. Zwar nimmt die Zahl der Sprecher überall ab, doch ist deren Existenz nicht bedroht. Demgegenüber ist die deutsche Sprachinsel Zarz/Sorica in den slowenischen Alpen faktisch erloschen, und es kann nur mehr von symbolischer Ethnizität gesprochen werden. Von allen Sprachgruppen im Untersuchungsgebiet ist die istrorumänische in der Čičarija und Čepićko Polje am meisten gefährdet. Dies trifft besonders auf die aktuell nur mehr etwa 40 „Čiči“ umfassenden Bewohner des Dorfes Žejân/Žejane zu, die ihrem Idiom beinahe gleichgültig gegenüberstehen. Bei den etwa 70 istrorumänisch sprechenden Bewoh nern in der Čepićko Polje, die sich mehrheitlich als „Vlaši“ betrachten, ist das Sprachbewusst sein zum Rumänischen noch nicht so stark verloren gegangen. Im Gegensatz zur ehemaligen deutschen Sprachinsel Zarz könnte eine der kleinsten autochthonen Sprachgruppen in der EU bei verbesserten Rahmenbedingungen zumindest in der nächsten Generation erhalten bleiben.

Gefährdete und verschwundene ethnolinguistische Minderheiten in der Alpen-Adria-Region, Das Beispiel der deutschen Sprachinseln und der istrorumänischen Sprachgruppe

Igor Jelen
;
2023-01-01

Abstract

Kennzeichnend für die Alpen-Adria-Region ist deren ethnolinguistische Vielfalt. Wie der Forschungsstand zeigt, ist diese jedoch auch durch ethnische Selbsteinschätzungen, die vom objektiven Merkmal Sprache abweichen (= diffuse Ethnizität), in ihrem Bestand gefährdet. Ziel vorliegenden Beitrages ist es, das damit zusammenhängende Gefährdungspotenzial für den Erhalt der Ethnodiversität im Kernraum der genannten Region zu analysieren. Bei den Vor Ort-Erhebungen wurde insbesondere auf die deutschen Sprachinseln in den friulanischen und slowenischen Alpen sowie auf die istrorumänische Sprachgruppe im Nordosten der Halbinsel Istrien eingegangen. Die Forschungsergebnisse zeigen, dass mit Ausnahme der deutsch- und mit Einschränkungen der slowenischsprachigen Kanaltaler Minderheit bei den Sprachgruppen Friauls diffuse Ethnizität überwiegt. Diese ist in den deutschen Sprachinseln, d.h. in Pladen/Sappada, Tischelwang/Timau und Zahre/Sauris, ähnlich stark ausgeprägt wie im slowenisch sprachigen Resiatal/Rezija in derselben Region. Zwar nimmt die Zahl der Sprecher überall ab, doch ist deren Existenz nicht bedroht. Demgegenüber ist die deutsche Sprachinsel Zarz/Sorica in den slowenischen Alpen faktisch erloschen, und es kann nur mehr von symbolischer Ethnizität gesprochen werden. Von allen Sprachgruppen im Untersuchungsgebiet ist die istrorumänische in der Čičarija und Čepićko Polje am meisten gefährdet. Dies trifft besonders auf die aktuell nur mehr etwa 40 „Čiči“ umfassenden Bewohner des Dorfes Žejân/Žejane zu, die ihrem Idiom beinahe gleichgültig gegenüberstehen. Bei den etwa 70 istrorumänisch sprechenden Bewoh nern in der Čepićko Polje, die sich mehrheitlich als „Vlaši“ betrachten, ist das Sprachbewusst sein zum Rumänischen noch nicht so stark verloren gegangen. Im Gegensatz zur ehemaligen deutschen Sprachinsel Zarz könnte eine der kleinsten autochthonen Sprachgruppen in der EU bei verbesserten Rahmenbedingungen zumindest in der nächsten Generation erhalten bleiben.
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